Bis vor wenigen Jahren war ich das, was man bestenfalls als “Reisemuffel” bezeichnen kann. Als absoluter Gewohnheitsmensch, der sich mit unbekannten Situationen generell schwer tut, war ich zufrieden damit, meinen Urlaub einfach zuhause zu verbringen. Oder an einem der Orte, wo ich schon öfter war und entsprechend wusste, worauf ich mich einzustellen habe. Fernweh oder Reisefieber? Keine Spur. Und alles, was nicht einfach mit Auto oder Zug zu erreichen war, hat mich durch meine Flugangst sowieso nicht interessiert. Generell hatte ich kein sonderliches Bedürfnis, neue Orte oder Kulturen kennenzulernen.

Rückblickend betrachtet: Wow, war ich dämlich. Ich hatte ja erwartet, dass ich durch die Promotion viel lerne und das meinen Horizont erweitert, aber eher… im akademischen Sinne. Mit einem Nebeneffekt hatte ich allerdings echt nicht gerechnet: dass ich Dank der Promotion plötzlich nicht mehr genug davon kriegen kann, die Welt zu sehen. Eine 180°-Wende, anders kann man das nicht nennen. Und alles fing damit an, dass ich mich Anfang 2017 nicht davor drücken konnte, auf meine erste Konferenz zu fliegen – die auf Hawaii stattfand. Das sich bekanntlichermaßen nicht gerade durch Auto- oder Zug-Erreichbarkeit auszeichnet. Was bei vielen vermutlich Jubel ausgelöst hätte, hat bei mir eher zu Panikattacken geführt (nein, keine Übertreibung, echte Panikattacken). Damit ich mit meiner Flugangst nicht direkt auf der ersten Flugreise gut 24 Stunden am Stück in Flugzeugen verbringen musste, haben Flo und ich damals beschlossen, unsere Hochzeitsreise als 10-tägigen Zwischenstop auf dem Hinweg zur Konferenz an der Westküste der USA zu verbringen. Auf dem Highway 1 von San Francisco nach Los Angeles. Anschließend eine Woche Konferenz in Honolulu mit Hotel am Waikiki Beach. Und da ich mir (glücklicherweise!) beim Buchen der Flüge dachte: “Scheiß drauf, wenn ich SO weit geflogen bin, schaffe ich drei zusätzliche Kurzstreckenflüge zwischen den Inseln sicher auch noch!” waren hinterher noch 5 Tage Urlaub mit Kollegen auf Kauai und eine knappe Woche Fortsetzung der Hochzeitsreise auf Big Island angesagt.

Erster Tag in San Francisco – der Tag, an dem ich mich in die Stadt und Reisen allgemein verliebt habe. Und in Cable Cars.

Diese 4 Wochen haben, gelinde gesagt, mein Weltbild verändert. Wir haben teilweise jede Nacht in anderen Hotels verbracht, jeden Tag unbekannte Gegenden erkundet und insgesamt 8 Flüge mit knapp 40 Stunden Flugzeit bei drei verschiedenen Airlines überstanden – also alles, was ich nie wollte. And. I. loved. it.

Mit den Füßen im Pazifik am Waikiki Beach – nie hätte ich damit gerechnet, dass das jemals passieren würde!

Seitdem sind ziemlich genau 3 Jahre vergangen und wenn ich mal keine Reise geplant habe – sei es jetzt weiter weg oder ganz in der Nähe – werde ich fast schon unruhig. Im Gegensatz zu meiner Erwartung ist meine Flugangst zwar nicht verschwunden, sie ist nicht mal viel schwächer geworden, aber ich habe gelernt, sie besser zu managen. Was mich inzwischen eher abhält, ist tatsächlich das schlechte Gewissen gegenüber der Umwelt, wenn ich darüber nachdenke, einen Flug zu buchen, der nicht in Zusammenhang mit einer Konferenzreise steht – was bis auf die Inter-Island-Flights auf Hawaii, zu denen es keine richtige Alternative gibt, bisher auch erst einmal vorgekommen ist. Innerhalb Europas gibt’s ja zum Glück auch andere Möglichkeiten. Und auch das Unbehagen gegenüber neuen Umgebungen und Hotelbetten ist inzwischen so weit reduziert, dass es mich nicht mehr von Reiseplanungen abhält. Mich hat eindeutig das Reisefieber gepackt und ich will so viel wie möglich von der Welt sehen. Deshalb haben wir in den letzten Jahren auch versucht, aus jeder Konferenzreise so viel wie möglich rauszuholen – immerhin kommt man dadurch an Orte, die man sonst vermutlich nicht gesehen hätte. Und dass die Uni meine Flüge und die Unterkunft während der Konferenz zahlt, hat die Reisen natürlich auch etwas besser bezahlbar gemacht 😉 Was für ein Glück, dass das Landesreisekostengesetz nicht verbietet, dass man Dienstreisen mit Urlaubsreisen verknüpft. Macht auch die Langstreckenflüge wenigstens etwas sinnvoller, wenn man möglichst viel Zeit am Zielort verbringt. Auf diese Weise sind wir in den letzten Jahren ganz schön rumgekommen:

Bereits besuchte Orte – es ging mitunter ganz schön weit weg von Deutschland, aber schlussendlich hat sich die bisherige Horizonterweiterung dann eben doch auf zwei Kontinente und nur die Nordhalbkugel beschränkt. Die Farben der Pins haben übrigens keine Bedeutung, dadurch werden einfach nur die geclusterten Orte besser unterscheidbar.

Ich bin wirklich dankbar dafür, was ich alles gesehen habe – über einen Teil davon werde ich hier mit der Zeit berichten. Aber mit jeder Reise wächst irgendwie auch der Wunsch, noch mehr zu sehen. Die aktuelle Liste an Reisewünschen ist schon ziemlich lang, vermutlich wächst sie auch noch weiter. Aber ich hoffe, dass sich mit der Zeit auch einiges von der Wunschliste auf die “schon besucht”-Karte verschieben lässt. Die Zukunft wird zeigen, wie viel sich realisieren lässt 🙂

Der aktuelle Stand meiner To-Visit-Liste. Wird mit Sicherheit nach und nach ergänzt 😉

Grüne Stecknadeln sind übrigens fertig geplante Reisen, inklusive tagesgenauen Wunschrouten und wetterabhängigen Alternativplänen, die leider vorerst Corona zum Opfer gefallen sind (und hoffentlich teilweise nächstes Jahr nachgeholt werden können). Hellblaue Nadeln bezeichnen Orte, die theoretisch relativ spontan besucht werden könnten, weil sie Optionen für frühere Reisen waren, die dann wieder über den Haufen geworfen wurden – z.B. Maui fiel bei der Hawaii-Reise der Entscheidung für Kauai zum Oper. Die ganzen Notizen dazu existieren aber natürlich noch und könnten jederzeit wieder ausgepackt werden. Alles andere ist dunkelblau markiert – und soll “irgendwann” mal angegangen werden, wenn es halt passt.

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